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Die Ehepaare Hoppenstedt und Pröhl
feiern in einem eleganten Restaurant das fünfjährige Bestehen
ihrer Freundschaft. Sie haben soeben in gehobener Stimmung das Hauptgericht
zu sich genommen.
Frau Pröhl: Ach war das köstlich!
Herr Hoppenstedt: Ganz ausgezeichnet
Herr Pröhl: (gießt gleichzeitig
den Rest Wein in die Gläser) Der darf nicht umkommen!
Herr Hoppenstedt: (klopft ans Glas)
Herr Pröhl: Pscht.
Herr Hoppenstedt: Verehrte gnädige
Frau, lieber Herr Pröhl
Ober: (unterbricht) Wünschen
die Herrschaften noch ein Dessert?
Herr Pröhl:: Etwas Süßes
in Ehren kann niemand verwehren! (allgemeines dummes Gelächter)
Frau Hoppenstedt: Was gibt es denn
schönes?
Ober: Flambierte Himbeeren, Creme
Caramel, Birne Helene...
Frau Pröhl: Köstlich!
Frau Hoppenstedt: Ich hätte
gern eine Creme Caramel.
Frau Pröhl: Das nehme ich
auch!
Herr Hoppenstedt: Sie hatten doch
immer so eine Spezialität...
Ober: Kosakenzipfel...
Herr Hoppenstedt: Kosakenzipfel!
Das ist das Größte!
Frau Hoppenstedt: Den müssen
Sie probieren!
Herr Hoppenstedt: (zum Ober) Zwei
Kosakenzipfel!
Herr Pröhl: Kosakenzipfel?
Herr Hoppenstedt: Das ist ein Mokka-Trüffel-Parfait
mit einem Zitronencreme-Bällchen
Herr Pröhl: Hervorragend!
Ober: Zwei Creme Caramel . . zwei
Kosakenzipfel. (ab)
Frau Hoppenstedt: Ach, was werden
wir heute verwöhnt!
Herr Hoppenstedt: (klopft ans Glas)
Frau Pröhl: Jetzt aber!
Herr Pröhl: Pscht.
Herr Hoppenstedt: Verehrte gnädige
Frau, lieber Herr Pröhl, es ist heute fünf Jahre her, daß
meine Gattin und ich Ihre Gattin und Sie auf dem Campingplatz in Klagenfurt
kennengelernt haben und daß wir seitdem . .. und daß uns .
. jawohl, so etwas wie eine Freundschaft verbindet . . . Das ist ein Grund
zum Feiern . . . und ich möchte.., und wenn wir jetzt das Glas erheben
- . . ich meine, wir sollten das förmliche »Sie« also,
ich heiße Walter . . .!
Herr Pröhl: Bravo!
(erhebt
sein Glas, allgemeines Anstoßen, Zuprosten mit Anrede durch Vornamen)
.
. Nein, so geht das nicht (Austausch von Küssen)
Ober: Es tut mir leid, aber wir
haben nur noch einen Kosakenzipfel!
Alle: Ooooch.
Herr Pröhl: Dann nimmst du
ihn, Walter!
Herr Hoppenstedt: Kommt nicht in
Frage, Erich.
Herr Pröhl: Dann wird eben
brüderlich geteilt.
Frau Hoppenstedt: Geteilte Freude
ist doppelte Freude ... (dummes Gelächter)
Herr Hoppenstedt: (zum Ober) Zwei
Löffel, bitte!
Ober: Sehr wohl. (ab)
Herr Pröhl: ...und du stehst
in der Berufsausbildung, Lieselotte?
Frau Hoppenstedt: Ja...zwei Jahre
Jodelschule...
Herr Pröhl: Sehr vernünftig!
Frau Hoppenstedt:Dann hab ich mein
Jodeldiplom...
Herr Pröhl: Sehr vernünftig!
Frau Hoppenstedt: ...und ich hab
dann wirklich was Eigenes!
Frau Pröhl: ...und du bist
unabhängig...
Herr Hoppenstedt: Erich, deine
Frau ist doch vormittags auch berufstätig...
Herr Pröhl: Ja... Roswitha
reitet dreimal die Woche...
Frau Hoppenstedt: Toll!
Herr Hoppenstedt: Sehr gut! Als
Frau braucht man eine sinnvolle Aufgabe...
Frau Pröhl: Zu Hause komme
ich mir völlig überflüssig vor...
Frau Hoppenstedt: ...und Reiter
werden ja immer gebraucht...
Ober: Zwei Creme Caramel... ein
Kosakenzipfel...
Frau Pröhl: Köstlich...
Frau Hoppenstedt: Der sieht gut
aus!
Herr Pröhl: Vielen Dank.
Herr Hoppenstedt: Danke schön
... Fang doch an, Erich.
Herr Pröhl: Neinnein.
Herr Hoppenstedt: Ich bestehe darauf!
Herr Pröhl: Also gut, Walter
. . . genau bis hier! (deutet mit dem Löffel die Hälfte an)
(Gelächter; Pröhl ißt)
Frau Hoppenstedt: (essend) Ach,
ist das gut!
Frau Pröhl: Köstlich!
Frau Hoppenstedt: (hält ihrem
Mann einen Löffel hin) Walter, du mußt mal probieren!
Herr Hoppenstedt: Danke, danke
. . . ich bin ja gleich dran! (trinkt seinen Wein aus und beobachtet
den essenden Pröhl)
Frau Pröhl: (zu ihrem Mann) .
. . Na, dir schmeckt‘s aber! Erich!
Frau Hoppenstedt: Laß ihn
doch. .
Herr Pröhl: (essend) Vorzüglich!
Genau die Hälfte ... (schiebt den mehr als halbgegessenen Kosakenzipfel
zu Hoppenstedt)
Herr Hoppenstedt: (leicht indigniert)
Na ja...genau die Hälfte...?
Herr Pröhl: (heiter) Also
abgewogen habe ich es nicht!
(Alle lachen, außer Hoppenstedt)
Herr Hoppenstedt: Die Hälfte
war ausgemacht!
Herr Pröhl: Willst du damit
sagen, daß ich dich übervorteilt habe. (Alle lachen, außer
Hoppenstedt)
Herr Hoppenstedt: (zieht sich den Teller
heran)
Neinnein.
Herr Pröhl: Es klang aber
so!
Frau Hoppenstedt: Mit seinem Kosakenzipfel
versteht Walter keinen Spaß. (Die Damen lachen)
Herr Hoppenstedt: Und wo ist das
Zitronencreme-Bällchen?
Herr Pröhl: Vielleicht habe
ich es versehentlich verschluckt, mein Gott.
Frau Pröhl: Du hast aber auch
wirklich zugelangt, Erich
Herr Hoppenstedt: (entrüstet)
Versehentlich!! Es gab nur noch einen Kosakenzipfel, und den wollten
wir teilen.
Herr Pröhl: Ja doch.
Frau Hoppenstedt: Nu laß
doch, Walter!
Herr Hoppenstedt: ...also auch
das Zitronencrcme-Bällchen!
Herr Pröhl: (verunsichert) Dafür
habe ich weniger von den Mokka- Trüffeln genommen.
Herr Hoppenstedt: Weniger? Haha!
(zeigt drauf) Hier wäre die Hälfte gewesen... wäre!
Herr Pröhl: Wo?
Herr Hoppenstedt: Hier.
Herr Pröhl: Aber diese Hälfte
ist dicker sie ist dicker als die, die ich gegessen habe.
Frau Pröhl: Erich!
Herr Hoppenstedt: Du kannst ja
gar nicht beurteilen, wie dick die Hälfte war, die nicht mehr da ist!
Frau Hoppenstedt: Walter, nu laß
doch!
Herr Pröhl: Aber ich kann
beurteilen, wie dick die Hälfte ist, die noch da ist.
Herr Hoppenstedt: Offensichtlich
kannst du das eben nicht!
Frau Pröhl: Ich bitte dich,
Erich.
Herr Pröhl: Du hast doch darauf
bestanden, daß ich den Kosakenzipfel teile.
Herr Hoppenstedt: Weil ich dummerweise
mit deiner Zuverlässigkeit gerechnet habe!
Herr Pröhl: Nein, weil du
damit gerechnet hast, daß ich mir aus Höflichkeit die kleinere
Hälfte nehmen würde und du dann die größere kriegst!
Herr Hoppenstedt: Das ist doch...
Herr Pröhl: Aber nicht mit
mir!
Frau Pröhl: Erich, wie kannst
du so etwas sagen!
Herr Hoppenstedt: Das ist doch...
Herr Pröhl: Nicht mit mir!
Frau Hoppenstedt: Ihr verderbt
uns den ganzen Abend!
Herr Hoppenstedt: (zunehmend erregt)
Sie haben mir vom Kosakenzipfel kaum was übriggelassen ... Sie
haben mir das Zitronencreme-Bällchen weggegessen und wagen es noch...
Herr Pröhl: ... Ich wage es
zu behaupten, daß Sie mich übervorteilen wollten!
Herr Hoppenstedt: Das ist eine
bodenlose Unverschämtheit, die ich mir in dieser Form verbitten muß
...
Ober (eilt beladen herbei und setzt
im Vorbeigehen einen zweiten Kosakenzipfel ab) . . . Und den zweiten
Kosakenzipfel, die Herren . ..
Herr Hoppenstedt: Aha!
Frau Hoppenstedt: Na, Gott sei
Dank!
Herr Pröhl: Herr Ober, Sie
werden bestätigen können, daß dies doch wohl die Hälfte
von dieseni Kosakenzipfel ist.
Ober: Bitte?
Herr Hoppenstedt: (zum Ober) Halt!
Antworten Sie nicht! Sie sind durch diese infame Art der Fragestellung
schon beeinflußt! Die Frage ist die: Wäre eine Hälfte der
zwei gleich großen Hälften von diesem Kosakenzipfel größer
als diese kleine Hälfte.
Herr Pröhl: (unterbricht) als
diese absolut gleich große Hälfte!
Herr Hoppenstedt: ...oder wäre
die kleinere Hälfte...
Herr Pröhl: ... diese gleich
große Hälfte!
Herr Hoppenstedt: ...ware diese
Hälfte etwa größer als eine von den beiden gleich großen
Hälften?
Ober: Den Kosakenzipfel habe ich
eben serviert und den anderen vorhin... (eilig ab)
Frau Hoppenstedt: (hebt ihr Glas)
... Wohlsein!
Frau Pröhl: (hebt ihr Glas) ...
Wohlsein!
Herr Pröhl: Kann man hier
wohl noch ein vernünftiges Gespräch führen, ohne ständig
unterbrochen zu werden?!
Herr Hoppenstedt: Ich verbiete
Ihnen, in diesem Ton mit meiner Frau zu reden!
Herr Pröhl: Dann erlauben
wir uns, zu gehen (Pröhls springen auf, Hoppenstedts folgen)
Herr Hoppenstedt: Die Rechnung
bitte
Herr Pröhl: Erlauben Sie.
Herr Hoppenstedt: Bitte sehr.
Herr Pröhl: (bezahlt im Gehen)
Frau Pröhl: Man soll eben
auf Campingplätzen keine Bekanntschaften machen!
(Die Ehepaare stehen sich auf der nächtlichen
Straße gegenüber)
Frau Hoppenstedt: (laut) Sie haben
uns doch zuerst angequatscht!
Frau Pröhl: (lauter) Um Sie
von ihrem besoffenen Gatten loszueisen!
FrH: (sehr laut) Nein, weil Ihr
sauberer Herr Gemahl, dieser Campingcasanova, hinter allem her ist, was
Beine hat!
(Die Herren ziehen ihre Gattinnen in
entgegengesetzte Richtnngen, so daß die Paare auf der Straße
Abstand gewinnen)
Frau Hoppenstedt: (schreiend) Jo...del...schnep...fe!
Frau Pröhl: (schreiend) Win...sel...stu...te!
Frau Hoppenstedt: (schreiend) Rat...te!
(Die Paare verlieren sich in der Dunkelheit) |