Vampir

 

Sie besitzen ein Fernsehgerät. Das ist kein Vorwurf. Es ist nur ein Beweis, dass Sie in sicheren, kultivierten Verhältnissen leben. Aber sie sollten nicht vergessen, dass es lebendige Wesen gibt, die es schwer haben, sich in unserem kühlen Erfolgsklima zu behaupten. Minderheiten, die täglich neu um ihre Existenz ringen. Außenseiter der Gesellschaft und dennoch mitten unter uns. Von ihnen soll jetzt die Rede sein. Es spricht Herr Kuno Falkenberg.

Meine Damen und Herren.

Haben Sie sich schon einmal Gedanken darüber gemacht, dass es in unserem Wohlstandsstaat eine notleidende Bevölkerungsgruppe gibt, an der sogar die Reformpläne einer sozialistischen Regierung vorübergegangen sind? Der Vampir gehört in der Bundesrepublik zu einer Minderheit. Als Wähler ist er somit uninteressant. Noch vor wenigen Jahren in aller Munde, ist er heute nahezu in Vergessenheit geraten. Was wird für alternde oder unverschuldet in Not geratene Vampire getan? Nichts! Im Gegenteil: Wir werden unter Missachtung des Grundgesetzes in der freien Ausübung unserer Lebensgewohnheiten vorsätzlich behindert. Es sind Fälle bekannt, in denen unbescholtene Vampire öffentlicher Verfolgung ausgesetzt wurden, weil sie nächtlichen Straßenpassanten, in netter Form, Blut entnommen hatten.
Ein gesunder Vampir benötigt pro Nacht ein bis zwei Liter frisches Damen- oder Herrenblut. Dafür verzichtet er aber auch auf Teigwaren, Obst, Käse und Gemüse. Durch die ablehnende Haltung der Bevölkerung greifen schwere Depressionen und Ernährungsschäden gerade unter jugendlichen Vampiren in erschreckendem Maße um sich. Allein in Rheinland-Pfalz waren im Jahre 1970 mehr als 2000 Vampire zwischen zwei- und dreihundert Jahren bettlägerig. Was ist das für ein Staat, der in jedem Jahr Milliarden für die Rüstung ausgibt und keinen Tropfen Blut für seine Vampire übrig hat. Da stimmt doch etwas nicht!
Es ist kurz vor 12. Wir wenden uns an die Öffentlichkeit. Wer spendet Blut, Särge, warme Decken und Zahnersatz? Wer nimmt junge Vampire in den Ferien auf? Wer schnell hilft, hilft doppelt. Geldspenden erbeten auf Postscheckkonto Baden-Baden 22648.

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